Im zweiten Artikel der Serie "Sackgasse mit System" beschreiben Natalie Sablowski und Sabrina Ebitsch, warum die meisten Beschäftigten ein Berufsleben lang in den Behindertenwerkstätten bleiben.
Von der Förderschule zur Werkstatt für behinderte Menschen
Für viele Menschen vor allem kognitiv beeinträchtige Menschen ist der Weg vorgezeichnet. Sie gehen auf eine Förderschule und arbeiten später in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Heute sind es mehr als 300.000, die Zahl ist seit den 1990er Jahren deutlich gestiegen. Dabei hat sich Deutschland vor 16 Jahren durch die Ratifikation der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK), verpflichtet Sonderstrukturen wie Förderschulen oder Werkstätten abzubauen und mehr Inklusion zu ermöglichen. Die Ampelregierung hat eine Reform angekündigt, dies aber nicht durchgeführt, auch die neue Regierung bleibt schwammig.
Aus zwei Jahren wurden 27 Jahre
Petra Loose wollte zwei Jahre in der Behindertenwerkstatt arbeiten - zum Innehalten, Orientieren, als Rehamaßnahme. Daraus sind nun 27 Jahre geworden. Sie hatte eine Ausbildung zur Hauswirtschaftshelferin gemacht, kam aber nicht mit dem Tempo nicht klar. Fördermaßnahmen des Arbeitsamts halfen auch nicht – die die vermeintlich temporäre Rehamaßnahme wurde zur Sackgasse.
Für Exporten sind Werkstätten oft ein „goldener Käfig“
Experten kritisieren das Fehlen passgenauer Unterstützung, so fordern die Werkstätten, obwohl die Rehabilitation eine ihrer zentralen Aufgaben wären. Nach zwei Jahren Berufsbildungsbereich soll entscheiden werden, ob es ind er Werkstatt oder dem ersten Arbeitsmarkt weitergeht. De Eingliederung gelingt je nach Berechnungsweise nicht einmal vier Prozent – Werkstätten werden zum goldenen Käfig.
Hubert Huppe war Behindertenbeauftragter der Bundesregierung und beklagt die enttäuschende Bilanz nach 16 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention. „Solange die Barrieren draußen existieren, solange die Menschen im Kindergarten, in der Schule, im Beruf nicht zusammenkommen, werden auch die Barrieren in den Köpfen niemals abgebaut“,
Menschen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnisse
Die 3000 Betriebsstätten sind meistens unterteilt in einen Förder- und einen Arbeitsbereich. Im Förderbereich arbeiten Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keiner Tätigkeit nachgehen können. Im Arbeitsbereich haben etwa drei Viertel kognitive Einschränkungen, 20 Prozent eine psychische Behinderung und vier Prozent nur eine körperliche Einschränkung. Diese Menschen haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Hier haben die Menschen die Möglichkeit verschiedene Bereiche auszuprobieren, auch durch Praktika in Betrieben. Einige könnten sicher im ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen, für viele Werkstätten entsteht aber ein Interessenkonflikt, denn wer will schon seine beste Mitarbeiter gehen lassen?“
Viele fühlen sich wohl – und beklagen geringen Lohn
Die Menschen verdienen sehr wenig, im Monat kommen sie im Schnitt auf 225 Euro Im Monat, viele finden das zu wenig. Allerdings bekommen sie staatliche Zuschüsse und kommen damit auf mehr.
Wenn man alles zusammenrechnet, verdienen die Menschen mit Behinderung ähnlich viel wie Menschen ohne Behinderung. Sie müssen auch keine Angst haben, arbeitslos zu werden
Viele Menschen fühlen sich in den Werkstätten wohl und wertgeschätzt, nach Studien will nur ein Drittel wechseln. Allerdings gibt es Unterschiede – Anfang wollen rund die Hälfte weg, je länger die Menschen in der Werkstatt arbeiten, desto stärker nimmt dieser Wunsch ab. Viele haben Angst ihre Freunde zu verlieren, fürchten, dass sie nicht genug Hilfe bekommen oder scheitern könnten.
Entfernung von der „normalen“ Gesellschaft
Je größer die Entfernung von der vermeintlich normalen Gesellschaft, desto größer ist die Angst. Ein Experte kritisiert deshalb die Werkstätten: Die Menschen werden zuerst von anderen getrennt. Später sollen sie wieder mit anderen zusammenarbeiten. Dann haben viele aber keine Lust mehr oder trauen sich nicht mehr. Inklusion heißt aber gerade nicht, Menschen passend zu machen. Sondern die Umstände.