Mittwoch, 28. März 2018

Die Politik lässt die Inklusion scheitern

Jan-Martin Wiarda, Kolumnist des Tagesspiels, hat unter dem Titel Die Politik lässt die Inklusion scheitern die derzeitige Umsetzung der Inklusion in Schulen scharf kritisiert.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Seiner Meinung nach ist Inklusion von Schülern mit Behinderungen ist richtig und machbar. Doch in Deutschland lassen Politiker die Reform aus Angst vor misstrauischen Eltern und Lehrern gegen die Wand fahren
Aufgrund der Unterfinanzierung misstrauen Eltern und Lehrer und befürchten, dass ein inklusives Schulsystem nicht allen gerecht werden kann. Dadurch kommt es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung – Politiker nehmen diese Stimmung auf und verhindern das Gelingen von Inklusion.


Ähnlich argumentier Raul Krauthausen im Deutschlandfunk. Er wirft der deutschen Bildungspolitik Totalversagen vor:
 

Donnerstag, 8. März 2018

Zielgruppenorientierte oder inklusive Angebote - oder beides?!

Immer wieder gibt es Diskussionen, ob zielgruppenorientierte Angebote für Menschen mit Behinderungen positiv oder negativ für die inklusive politische Bildung sind.

Inklusive oder zielgruppenorientierte Angebote –oder beides?! 

Das Konzept der Zielgruppenorientierung entstand während der gesellschaftlichen Reformdiskussion in den 70er Jahren. Die damalige Debatte war durch das demokratische Postulat ebenso geprägt wie durch die ökonomische Notwendigkeit nach steigender Qualifizierung von Arbeitnehmer/innen. Das Konzept zielte darauf, die Lebensumstände einer homogenen Zielgruppe zu verbessern und richtet die pädagogische Aufmerksamkeit auf Bildungsbenachteiligte (vgl. Lutz 2004: 28).

Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Gruppe 

Die Übertragung dieses Konzepts auf Menschen mit Behinderung ist schon deshalb fragwürdig, weil es sich nicht um eine homogene Gruppe handelt. Hinzu kommt der eklatante Widerspruch zur Inklusion, denn Menschen müssen sich stigmatisieren lassen, bevor man ihnen hilft. Zielgruppenorientierte Angebote könnten die Exklusion sogar noch verstärken, „einerseits durch die Separierung, andererseits durch die defizitorientierte Perspektivierung“ (Zurstrassen 2014).
Auch Ackermann verweist darauf, dass die Zielgruppenorientierung in der Erwachsenenbildung mit dem Anspruch auf Inklusion kollidiert, betont aber, dass „die Forderung nach offenen Angeboten den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen bzw. Teilhabeeinschränkungen nicht gerecht wird.“ (Ackermann 2014).

Scheingegensatz zwischen Inklusion und Zielgruppenorientierung 

Dönges und Köhler (2015: 87) sprechen von einem Scheingegensatz zwischen inklusiver und zielgruppenorientierter Vorgehensweisen und zeigen anhand eines Partizipationsmodells für einzelne Menschen, dass an die Stelle von Zuschreibung von Defiziten die Identifizierung von Barrieren und der Versuch deren Beseitigung treten kann. Auch Besand und Jugel (2015: 105ff) fokussieren auf das Erkennen und Überwinden von Exklusionsmechanismen und  plädieren für eine zielgruppenspezifische politische Bildung jenseits tradierter Differenzlinien wie Herkunft, Behinderung oder Geschlecht. Vielmehr sollten Zugangserschwernisse wie Kommunikation oder bauliche Beschaffenheit thematisiert und beseitigt werden.

Gefordert wird deshalb ein „sowohl-als-auch“: „Inklusive politische Erwachsenenbildung beinhaltet einerseits separate Kurse für Menschen mit Behinderung zu Themenbereichen wie Selbstbestimmung oder persönliche Assistenz, andererseits Kurse, in denen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung gemeinsam an politischen Themen arbeiten. Schließlich hat politische Erwachsenenbildung nicht nur die Aufgabe, Betroffene zu Wort kommen zu lassen, sondern auch Betroffenheit im Sinne von Empathie herzustellen.“(Ackermann/Ditschek 2015: 240)
Dies kann durch gezielte Unterstützung z. B. durch Assistent/innen oder Gebärdendolmetscher/innen während „normaler“ Seminare geschehen, aber auch durch differenzierte Angebote. Dies können Fortbildungen sein, vorbereitende Einheiten vor den eigentlichen Veranstaltungen oder Seminare, die speziell auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind.

Literaturhinweise


Ackermann, Karl-Ernst (2014): Politische Bildung für eine inklusive Gesellschaft, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Werkstatt inklusiv, http://www.bpb.de/lernen/werkstatt-politikdidaktik-inklusiv/180603/k-e-ackermann-politische-bildung-fuer-eine-inklusive-gesellschaft ..

Ackermann, Karl-Ernst/Ditschek, Eduard Jan (2015): „Voraussetzungen, Ziele und Orte inklusiver politischer Erwachsenenbildung“, in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, 230- 242.

Besand, Anja/Jugel, David (2015): „Zielgruppenspezifische politische Bildung jenseits tradierter Differenzlinien“, in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S.99-109.

Dönges, Christoph/Köhler, Jan Markus (2015): „Zielgruppenorientierung oder Inklusion in der politischen Bildung – Dilemma oder Scheingegensatz?“,  in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S. 87-98.

Lutz, Jürgen (2004): „Integrative politische Bildung – eine Quadratur des Kreises?“ in: Anna Rieg-Pelz (Hg) „Mitdenken – Mitreden – Mitwirken. Politische Bildung mit allen und für alle Menschen“, Erwachsenenbildung konkret 8, 2004, S. 24-32.

Zurstrassen, Bettina (2014):“ Inklusive Didaktik der politischen Bildung? Überlegungen als Beitrag zur Definition eines Begriffs (aus Sicht der Politikdidaktik)“, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Werkstatt inklusiv, http://www.bpb.de/lernen/werkstatt-politikdidaktik-inklusiv/180303/b-zurstrassen-inklusive-didaktik-der-politischen-bildung, 2014.