Im Artikel Rückschritt in Sachen Inklusion beschreiben Natalie Sablowski und Sabrina Ebitsch die Kritik an den Inklusionsanstrengungen und geben einen Ausblick, was von der neuen Regierung zu erwarten ist.
Die wollen Inklusion nicht
Der frühere Behindertenbeauftragte Hubert Hüppe geht hart mit Regierung und Unternehmen ins Gericht: „Die wollen Inklusion nicht. Denn Inklusion ist schlecht für das Geschäft.“ Vom Aufbruch die UN-Behindertenrechtskonvention ist nicht mehr viel zu spüren – Sondersysteme haben wisch durchgesetzt und an Einfluss gewonnen.
Koalitionsvertrag mit Absichtserklärungen
Der Koalitionsvertrag liest sich gut: Einsatz für eine inklusive Gesellschaft, Abbau von Barrieren, auch der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt soll gestärkt werden. Sobald es konkret wird, handelt es sich eher um kleine Stellschrauben. Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sollen reformiert, das Werkstattentgelt erhöht werden. Ein Teil der Ausgleichsabgabe soll an die Werkstätten gehen.
Forscher sehen darin genau die Falsche Richtung. Das Geld sollte nicht in den einen inklusiven Arbeitsmarkt gesteckt werden, die Regelung ist ein Rückschritt in Sachen Inklusion. Für Hüppe ist der Koalitionsvertrag kein Papier in Richtung Inklusion und Aufbrechen der Sonderstrukturen, sondern der Bewahrung der Ausgrenzung und eher ein Rückschritt als Fortschritt.“ Die Arbeitslosigkeit wird sich dadurch eher erhöhen
700 Millionen Ausgleichsabgabe
Eigentlich müssen Unternehmen, gestaffelt nach ihrer Größe, Menschen mit Behinderung einstellen. Ab 20 Mitarbeitern gilt eine Beschäftigungspflicht, ab 60 sollen mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzt werden. Die Mehrheit der Unternehmen hält diese Quote nicht ein und zahlt liebe reine Abgabe – so kommen jährlich 700 Millionen Euro zusammen. Nur knapp 40 Prozent aller Arbeitgeber erfüllen die Beschäftigungspflicht vollständig, ein Viertel gar nicht.
Kritik an Zahlungen
An den Regeln gibt es vielfältige Kritik. Einerseits kann man sich mit der Abgabe letztlich freikaufen. Andererseits fließt das Geld in einen Fond, mit dem Modellvorhaben, Forschung und Leistungen der Arbeitsagenturen finanziert werden. Strukturen, die Behinderte eigentlich fördern sollen, profitieren, wenn Firmen ihrer Inklusionspflicht nicht nachkommen. Die Abgaben sind steuerlich absetzbar und lassen sich mit Aufträgen an Werkstätten verrechnen: Wer also Behindertenwerkstätten beauftragt, zahlt weniger. Dies steht im Widerspruch zum Ziel mehr Perspektiven für den ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Der jüngste Teilhabebericht des Arbeits- und Sozialministeriums diagnostiziert dazu passend, dass ein hoher „Marktwiderstand“ bestehe, „eine zu geringe Bereitschaft und Selbstverständlichkeit, passgenaue berufliche Möglichkeiten für beeinträchtigte Menschen herzustellen“.
Berührungsängste bei den Arbeitgebern – oder sogar Ressentiments
Neben den finanziellen Fehlanreizen gibt es auch bürokratische Hindernisse. Arbeitgeber kritisieren, dass Kündigungen nur mit Zustimmungen des Integrationsamts möglich sind. Außerdem gibt es Berührungsängste, schlimmstenfalls Ressentiments. Zugleich ist die Zahl der Plätze in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung höher statt niedriger als noch in den 1990er-Jahren.
Übergangsquoten erschreckend gering
Obwohl ein Drittel der Beschäftigten lieber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten würden, ist die Übergangsquote äußerst gering. Hüppe fordert deshalb Konsequenzen: Der Statt muss prüfen und notfalls Bedingungen für das Geld stellen. Vorbild ist hier Hamburg, die ihre Unterstützung nicht nach der Zahl der besetzten Plätze finanzieren. Der entscheidende Effekt: Wenn die Zahl der in einer Einrichtung betreuten und beschäftigen Menschen sinkt, bedeutet das nicht automatisch weniger Geld für die jeweilige Werkstatt. Bundesweit sieht es oft anders aus: die finanziellen Mittlen richten sich nicht an den individuellen Bedürfnissen, sondern an den Werkstätten aus
Ausgleichsmaßnahmen im Koalitionsvertrag nicht ausreichend
Für die Menschen erhalten mit der Rente mehr, als das was jemand mit Mindestlohn bekommt.
Da viele nur in Teilzeit auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, landen viele in der Grundsicherung. Der Koalitionsvertrag sieht einen nachteilsausgleich bei Übergangen vor, aber nur für die, die in Werkstätten gearbeitet haben. Wer erst gar nicht in die Werkstatt will und außerhalb versucht zu arbeiten, bekommt offensichtlich die Nachteilsausgleiche wie Rente und Arbeitsförderungsgeld nicht.“ Er sieht damit die Sondersysteme gestärkt.
Werkstätten bekommen 6,5 Mrd. Euro
Die Werkstätten bekommen jedes Jahr 6,5 Milliarden Euro vom Staat. Mit diesem Geld werden die Werkstätten bezahlt und die Menschen in den Werkstätten unterstützt. Pro Person sind das fast 19.000 Euro – Geld das fehlt, wenn jemand auf den ersten Arbeitsmarkt wechselt.
Die Werkstätten widersprechen dieser Einschätzung und verweisen auf das individuelle Wahlrecht. Hüppe kritisiert die starke Lobby und das Drehtür-Prinzip zwischen Interessenvertretung und Politik
Beispiel: der Landesgeschäftsführer der werkstätten im Saarland wurde zum besonders deutlich. Ein Beispiel: Im Saarland wurde der Landesgeschäftsführer der WfbM zum Landesbehindertenbeauftragten gewählt. So gedeihen Sondereinrichtungen immer weiter.
Werkstätten als Netzwerk für alle Menschen mit Unterstützungbedarf
Die Koalitionäre wollen die Werkstätten erhalten - ein System, das von den Vereinten Nationen in seiner jetzigen Form als menschenrechtswidrig eingestuft wird. Es braucht deshalb Reformen und eine bessere Bezahlung, für die, die in Werkstätten bleiben wollen und eine unabhängige Förderung für die, die gehen wollen. Professor Doose will die Werkstätten als ein Netzwerk für die Teilhabe von Menschen, die höheren Unterstützungsbedarf haben.