Franziska Schindler berichtet im SPIEGEL über das Urteil über die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention: Schlechte Noten für Deutschland
Schmach bei der Anhörung
Der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderung kritisierte in scharfen Worten die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland. 26 Vertreter von Bund und Länder waren nach Genf gereist und mussten sich undiplomatisch anhören, dass Deutschland schlecht dasteht.
Umsetzung der Konvention stockt
Seit 2009 ist das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung für Deutschland verbindlich. In der Vereinbarung ist etwa das Recht auf inklusive Bildung verankert, aber auch auf selbstbestimmtes Wohnen und die gleichberechtigte Teilhabe am politischen Leben. Nach 2015 wurde Deutschland nun zum zweiten Mal überprüft. Obwohl sich die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag einiges vorgenommen hatte, stockt die Umsetzung.
Die Regierung wollte unter anderem drei überarbeiten, um „in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, vor allem aber bei der Mobilität, beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich, barrierefrei“ zu werden.
Kritik an Abschottung
Keines der Gesetzentwürfe ist bisher auf den Weg gebracht. Der Ausschuss kritisiert insbesondere die Abschottung von Menschen mit Behinderungen– von der Schule über Werkstätten bis hin zu Wohnheimen. Sie fordern das ganze System zu hinterfragen.
Kampf um Barrierefreiheit
Der Artikel beschreibt den Kampf um einigen Aufzug, den Eltern für ihr Kind führen, von dem aber natürlich auch andere profitieren können. Es schmerzt sie, wenn immer wieder gefragt wird: »So viel Geld für ein Kind?«
Für die Barrierefreiheit von Gebäuden sind Bund, Länder und Kommunen verantwortlich. Während der Bund sich verpflichtet, alle neuen Gebäude barrierefrei zu gestalten, gibt es in den Regelungen auf Landesebene Hintertüre, wenn ein „unverhältnismäßiger Mehraufwand“ besteht. Folglich sind Betroffene auf den guten Willen Einzelner angewiesen.
Probleme mit Barrierefreiheit auch im privaten Bereich
Der Koalitionsvertrag wollte auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zum Abbau von Barrieren zu verpflichten. Aber auch hier hakt es. Nur jede zehnte Arztpraxis bezeichnet sich als barrierefrei. Einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitssystem hatte die Ampel bis Ende 2022 angekündigt. Vorgelegt wurde er auch auf Drängen von Betroffenen bislang nicht.
Regelungen durch drei Gesetze geplant
Am umfassendsten könnte die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt werden. Dieses liegt in der Kompetenz des liberal geführten Justizministeriums. Auch eine Überarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) oder des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) könnte die Lage für Behinderte verbessern, für beide Gesetze ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zuständig. Denkbar wären, dass zum Beispiel die Bahn bezahlen müsste, wenn Aufzüge nicht funktionieren. Andere Staaten wie die USA und Großbritannien sind bei der Verpflichtung von Privaten viel weiter. Bis zum Frühjahr 2024 sollen die Vorschläge endlich auf dem Tisch liegen.
So ein reiches Land tut so wenig
Entsprechend viel auch das Urteil des Uno-Ausschuss aus: „Das hier ist eine der schlechtesten Staatenprüfungen, die ich je erlebt habe“, sagt Vize-Vorsitzende Gamio. »So ein reiches Land tut so wenig«. Uneinigkeiten gibt es auch bei der Interpretation der Konvention. Mehrfach hatte die Bundesregierung dem Fachausschuss erklärt, die Konvention in Bezug auf Bildung oder in mit dem Betreuungsrecht verbundenen Fragen anders auszulegen.
Hat Deutschland viel erreicht?
Voraussichtlich Mitte September werden die Empfehlungen des Uno-Ausschusses verkündet. Auch die Anhörung wird ganz unterschiedlich interpretiert, so schreibt das Sozialministerium, dass Deutschland seit der letzten Staatenprüfung 2015 viel auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft erreicht hat.«