Mittwoch, 5. Juni 2024

Wahlrecht (und Informationen) für alle!

Bei einigen meiner Terminen zur Kommunalwahl ging es um das Wahlrecht. Selbst Betreuer*innen wussten manchmal nicht,  dass alle Menschen wählen dürfen, einigen Klient*innen wurden die Wahlunterlagen vorenthalten. Auch wenn dies (hoffentlich) nur Einzelfälle sind, lohnt sich ein Blick auf die rechtliche Lage.

Inklusives Wahlrecht

2019 hat das Bundesverfassungsgericht den Wahlausschluss von Menschen mit rechtlicher Betreuung für alle Lebenslagen für verfassungswidrig erklärt. Zwar hält das Gericht Einschränkungen denkbar bei „fehlender Einsichtsfähigkeit, um am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen teilnehmen zu können. Der Bundestag entschied sich letztlich für die Rücknahme jeglicher Einschränkung 

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu einen Film mit dem Titel: "Meine Grundrechte – Inklusives Wahlrecht" veröffentlicht.

Unterstützung erlaubt

Die Unterstützung ist ausdrücklich vor und während des Wahlvorgangs erlaubt. Vor den Wahlen bezieht sich dies z.B. auf die Beantragung der Briefwahl. Ein Wahlberechtigter mit Behinderung kann sich bei der Antragstellung der Hilfe einer anderen „beliebigen“ Person bedienen (§ 57 BWahlO gilt entsprechend). Es ist also nicht erforderlich, dass die rechtliche Betreuer*in dies tut.
Auch in der Wahlkabine ist Unterstützung erlaubt – dies bezieht sich auf die Kennzeichnung des Wahlzettels ebenso wie auf die Unterstützung beim Wahlgang (falten, Stimmzettel in Wahlurne werfen). Weitere Informationen bietet u.a. die Lebenshilfe.

Grenzen und Möglichkeiten der Wahlhilfe

Die Hilfsperson darf nur den Wählerwunsch erfüllen, die Kenntnisse müssen geheim gehalten werden. Wenn die Entscheidung, wo das Kreuz gesetzt wird, nicht vom Wahlberechtigten ausgeht oder sie durch eine missbräuchliche Einflussnahme erfolgte, handelt es sich um Wahlfälschung.
Schwieriger zu beurteilen ist die Grenze zwischen Beeinflussung und Unterstützung. Der Leitfaden für Assistenzkräfte der Landeszentrale formuliert die Grenzen so: Ein offener, den individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen angepasster, Austausch über die inhaltliche Ausrichtung von Parteien und Kandidaten stellt keine Wahlbeeinflussung dar.

Recht auf Information – und Mitbestimmung

Sicher gibt es Fälle, bei denen die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Einsichtsfähigkeit nicht vorhanden ist. Wieder andere haben schlicht kein Interesse an den Wahlen. Ein Blick auf die Wahlbeteiligung zeigt, dass dies offensichtlich immer mehr Menschen so geht.
Dennoch oder gerade deswegen halte ich Informationen zu den Wahlen für sehr wichtig, denn Mitbestimmung beginnt im Kleinen – informell im Familien- und Freundeskreis, mit gewählten Vertreter*innen beim Wohnen und Arbeiten oder im Verein.

Stufen der Mitbestimmung

Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe hat eine tolle Seite zur Mitbestimmung
Sie unterscheiden zwischen den Stufen Informationen, Mitreden (Mitwirken) und Mitbestimmung. Alle Stufen sind wichtig: Ohne Information kann ich nicht mitreden. Wenn ich nicht mitreden kann, kann ich nicht entscheiden
Mitreden bedeutet: Ich darf meine Meinung sagen. Ich kann sagen: Das ist mir wichtig. Ich kann Vorschläge machen. Aber: andere entscheiden.
Mitbestimmen bedeutet: Jede Meinung zählt. Die Gruppe sucht gemeinsam eine gute Lösung. Bei
einer Abstimmung zählt jede Stimme gleich.

Meine Angebote

Zu den Grenzen und Möglichkeiten der Wahlhilfe habe für die Behindertenbeauftragte der Stadt Karlsruhe einen Workshop durchgeführt. Weitere Angebote finden Sie auf meiner Homepage.