Donnerstag, 6. Dezember 2018

Fortbildung für Werkstatträte und Frauenbeauftragte - Demokratie bedeutet Mitbestimmung

Was bedeutet Demokratie? Wer macht die Politik? Welche Möglichkeiten gibt es mitzubestimmen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich am 3. Dezember – dem Internationalen Tag der Behinderten – rund 20 Werkstatträte und Frauenbeauftragte der Hagsfelder Werkstätten. Sie waren der Einladung der Karlsruher Behindertenbeauftragten ins Karlsruher Rathaus gefolgt.

Kommunale Behindertenbeauftragte

Das Landesbehindertengleichstellungsgesetz verpflichtet die Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg zur Bestellung einer „Kommunalen Behindertenbeauftragten“. In Karlsruhe hat diese Aufgabe Ulrike Wernert. Die zentrale Aussage ihrer Seite zitiere ich gerne:
Gesellschaft muss sich so verändern, dass alle Menschen selbstbestimmt daran teilnehmen können
Auf ihrer Facebook-Seite bietet sie aktuelle Informationen zum Thema Inklusion.

Demokratie als Herrschaft des Volkes

Bereits die Vorstellungsrunde der Fortbildung war bewundernswert. Es war toll zu sehen, wie sich die Werkstatträte und Frauenbeauftragten für ihre Kolleg/innen einsetzen. So engagiert waren auch die Diskussionen nach meinem Beitrag über die Bedeutung von Demokratie – auf diese engagierten Bürger/innen kann unsere Demokratie bauen!

Weitere Informationen 

Seite der Stadt Karlsruhe - Kommunalbehindertenbeauftragte

Artikel auf meiner Homepage: Politik für alle - Demokratie bedeutet mitbestimmen
 

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Pro und Contra Inklusion in der Schule

Ist Inklusion ein Gewinn oder eine Gefahr für die Schule. Im Schulportal werden wichtige Argumente ausgetauscht.

Pro Inklusion

Befürworter betonen, dass Inklusion ein Rechtsanspruch ist. Sie hoffen, dass Kinder mit Behinderung werden besser auf das „echte“ Leben vorbereitet werden. Sie gehen davon aus, dass ein inklusives langfristig billiger kommt.
Für Stefan Osthoff ist es auch nicht nur eine Frage des Geldes: „Ob Inklusion gelingt, ist in erster Linie eine Frage der Einstellung und Haltung. Erst danach kommen Fragen der personellen und sachlichen Ausstattung.“

Gegen Inklusion

Gegner der Inklusion argumentieren mit den Kosten und befürchten, dass leistungsstarke Kinder nicht ausreichend gefördert werden und die Kinder mit Betreuungsbedarf trotz Unterstützung Ausgrenzung und Versagen erleben. Im bewährten System der Förderschulen können sie besser unterstützt werden.
Für Michael Felten kann die Devise deshalb nur heißen: Nicht prinzipielle Inklusion um jeden Preis, sondern nur da, wo es für das einzelne Kind sinnvoll ist – und erst dann, wenn die schulischen Gegebenheiten dies tatsächlich zulassen.

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Broschüren der Bundeszentrale: Das Grundgesetz

In der Reihe „Einfach Politik“ bietet die Bundeszentrale zwei tolle neue Broschüren über das Grundgesetz: über den Staat und über die Grundrechte. Zu beiden Themen gibt es auch eine Audio-CD.

Das Grundgesetz - über den Staat 

Das Heft in einfacher Sprache können Sie über die Seite der Bundeszentrale bestellen und herunterlagen: 
Über den Inhalt:
Im Grundgesetz steht: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat". Vielleicht fragen Sie sich: "Was heißt das eigentlich?" oder "Was hat das mit mir zu tun?" In dem Heft können Sie auf diese und viele weitere Fragen Antworten finden. Das Heft erklärt den deutschen Staat.

Das Grundgesetz. Die Grundrechte

Das Heft in einfacher Sprache können Sie über die Seite der Bundeszentrale bestellen und herunterlagen:
Über den Inhalt:
Grundrechte stehen im Grundgesetz. Vielleicht reicht Ihnen dies. Vielleicht wollen Sie aber auch mehr wissen: Was haben die Grundrechte mit mir zu tun? Wovor schützen sie mich? Was bedeutet Menschenwürde, Freiheit oder Gleichheit? Das Heft beantwortet diese und andere Fragen. Es erklärt die "Grundrechte". In einfacher Sprache.

Donnerstag, 6. September 2018

Einschränkungen machen erfinderisch

In der Süddeutschen Zeitung ist ein interessanter Artikel über eine taubblinde Juristin erschienen: Einschränkungen machen erfinderisch

Sie ist taubblind - und eine der einflussreichsten jungen Personen weltweit. Die Harvard-Juristin Haben Girma erklärt, warum gerade auch Menschen mit Behinderungen ein Unternehmen erfolgreicher machen können.

Nicht still in einer Ecke sitzen

Ein wichtiger Grund für ihren Erfolg: "Ich bin sehr neugierig. Ich will nicht still in einer Ecke sitzen. Und klar bin ich ehrgeizig. Warum sollte man sich mit weniger zufriedengeben, wenn man nach den Sternen greifen kann?", sagt sie.

Inklusive Unternehmen sind erfolgreicher

Sie ist überzeugt, dass von Menschen mit Behinderungen ein Innovationsschub ausgehen kann:
"Inklusive Unternehmen sind erfolgreicher".
Dank moderner Technik wird auch die Kommunikation mit anderen Menschen leichter: Wer ihr etwas sagen will, tippt es in eine Tastatur, die sie ständig bei sich trägt und den Gesprächspartnern gibt. Über Bluetooth wird das Getippte in Blindenschrift übersetzt und auf Girmas Lesegerät übertragen.

Eine faszinierende Frau und ein interessanter Artikel – absolut lesenswert!

Sonntag, 5. August 2018

Mehr möglich machen, weniger behindern – das Bundesteilhabegesetz

Es gibt noch viele Unsicherheit, da einige Elemente des Bundesteilhabegesetzes noch nicht in Kraft sind oder noch umgesetzt werden müssen.
Umso erfreulicher, dass rund 60 Interessierte in die Kantine der Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege Winnenden gekommen sind, um sich über das Gesetz und die Folgen zu informieren.  Das Seminar wurde in Kooperation zwischen der VHS Backnang und der Paulinenpflege Winnenden angeboten.

Mehr möglich machen, weniger behindern – das Bundesteilhabegesetz

Was bedeutet „Bund“, was bedeutet „Teilhabe“, was bedeutet „Gesetz“ – von Anfang an waren die Teilnehmer/innen aktiv dabei, als es galt, sich erst mal über den Namen des Gesetzes Gedanken zu machen. Viele erinnerten sich an das letzte Seminar zur Bundestagswahl und wussten, dass letztlich Regierung und Bundestag für die Gesetze zuständig sind. Weniger bekannt war, dass auch Interessenvertreter mitreden können und sollen.

Verbesserungen bei Arbeit, Wohnen und Beratung

Im zweiten Teil ging es um die geplanten Verbesserungen: Werkstatträte erhalten mehr Macht, Menschen dürfen mehr sparen und sollen selbstbestimmt entscheiden dürfen, wo und wie sie wohnen. Eine unabhängige Beratung soll dafür sorgen, dass optimale individuelle Lösungen gefunden werden.  Das Gesetz allein wird nicht ausreichen – letztlich ist es Aufgabe der ganzen Gesellschaft, dass eine gleichberechtigte Teilhabe möglich wird.

Für Rechte einsetzen – auch im Alltag

In den zahlreichen Wortmeldungen berichteten die Teilnehmer/innen über Sorgen und Probleme im Alltag. Deutlich wurde, dass Regeln auch im Alltag wichtig sind – das Recht auf Privatsphäre müssen auch Eltern beachten und beim Abwasch sind auch mal die Jungs der Wohngemeinschaft dran!
Es war eine weitere schöne Veranstaltung! Die Kooperation zwischen Volkshochschule und der Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege Winnenden wird 2019 mit einem Seminar zur Kommualwahl 2019 fortgesetzt. Weitere Angebote für Menschen mit Behinderungen finden Sie in hier.

Weitere Informationen finden Sie auf meiner Homepage.

Freitag, 13. Juli 2018

Politik und Politikvermittlung können Spaß machen!

Für die Landeszentrale für politische Bildung habe ich ein Seminar über Themen und Methoden bei Politikseminaren für Menschen mit Behinderungen konzipiert und durchgeführt. Die Teilnehmer/innen – Fachlehranwärter/innen eines Fachseminars für Sonderpädagogik – waren im Rahmen ihrer Vorlesungsreihe „Mensch in der Gesellschaft – Leben in der Gesellschaft“ in die Landeszentrale nach Stuttgart gekommen.

Teilhabe ermöglichen

Die Bedeutung von Multiplikator/innen für das Gelingen politischer Teilhabe kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Das große Interesse der Teilnehmer/innen hat mich deshalb sehr gefreut. Nach einer gemeinsamen Klärung zentraler Begriffe stand der Austausch im Mittelpunkt. Die Referendar/innen berichteten über ihre Arbeit und die weiterhin bestehenden Beschränkungen bei der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe.

Interessante Konzepte für Veranstaltungen

Nach einem Überblick über meine Erfahrungen mit Themen und Methoden waren die Teilnehmer/innen dran: In Kleingruppen erarbeiteten sie Konzepte für Veranstaltungen zu den Themen Mitbestimmung, Flüchtlinge und Europa. Die Ergebnisse waren beeindruckend und erfüllten die Anforderung, dass Politik und Politikvermittlung auch Spaß machen können!

Informationen für Schüler/innen und Lehrer/innen

Im letzten Teil stellte ich gemeinsam mit Prof. Siegfried Frech, Redakteur der Zeitschrift „Bürger im Staat“ bei der Landeszentrale, die umfangreichen Informationen der Landeszentrale für Schüler/innen und Lehrer/innen vor. Im Shop der Landeszentrale konnten sich die Teilnehmer/innen mit Informationsmaterial für sich und ihre Schüler/innen eindecken. Die kostenlosen bzw. günstige Materialien können Sie auch online bestellen.

Lehrer/innen bei der politischen Bildung unterstützen

Es war ein schönes Seminar, das den Teilnehmer/innen hoffentlich genauso gefallen hat wie mir.  Besonders Sonderpädagog/innen können viel zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beitragen. Sie dabei zu unterstützen und ihnen Informationen über die oft komplizierte Politik bereitzustellen sind deshalb wichtige Aufgaben der politischen Bildung.

Weitere Informationen finden Sie auf meiner Homepage.

Donnerstag, 21. Juni 2018

Zentrum für inklusive politische Bildung

Einen tollen Ansatz hat das Zentrum für inklusive politische Bildung (ZipB).

Laboratorium für inklusive politische Bildung

Das ZipB versteht sich v.a. als Laboratorium zur Erkundung, Entwicklung und Erprobung inklusiver Konzepte im Bereich der politischen Bildung. Dabei kommt hier ein heterogenes Team von jungen und erfahrenen Wissenschaftler/innen mit Bildungspraktiker/innen zusammen und wird stets von diversen Menschen mit Ausschlusserfahrungen begleitet und beraten.

Neue Konzepte erkunden und entwickeln

Das Zentrum für inklusive politische Bildung hat sich zum Ziel gesetzt neue Konzepte praxisorientiert und interdisziplinär zu erkunden, zu entwickeln und zu erproben um dadurch den Herausforderungen inklusiver politscher Bildung und den notwendigen Transformationsprozessen mehrdimensional – also auf theoretischer wie praktischer Ebene – zu begegnen.
Diese Konzepte sollen allen Menschen Teilhabe und Selbstbestimmung ermöglichen.

Bildungspraxis und Bildungsforschung auf Augenhöhe

Ganz konkret wollen wir durch das ZipB ein Raum schaffen, in dem sich Bildungspraxis und (politische) Bildungsforschung auf Augenhöhe begegnen, um gemeinsam Inklusion in der politischen Bildung (weiter) zu entwickeln und zu erforschen, ganz praktisch zu erproben, in die Köpfe und schließlich auch in die individuell erfahrene Lebenswelt der Menschen zu bringen.

Notwendigkeit einer inklusiven politischen Bildung

Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Notwendigkeit einer inklusiven politischen Bildung:
  • Die politische Bildung erreicht bisher nur einen geringen Teil der Menschen.
  • Gruppenbezogene und häufig defizitorientierte Lösungsansätze führen aktuell nicht zur Teil-habe von marginalisierten und diskriminierten Teilen der Gesellschaft

Mittwoch, 6. Juni 2018

Wir wissen, was gut für die ist

Die Bedeutung von Fachkräften und Unterstützer/innen für das Gelingen von Teilhabe kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Zusammenarbeit mit fast ist angenehm perfekt. Ähnlich geht es mir mit meiner Arbeit, die meistens sehr viel Spaß macht. In diesem Blog möchte ich aber auch Probleme ansprechen, deshalb gibt es in unregelmäßigen Abständen auch einen Frust-Blog. Das Thema heute:

Wir wissen, was gut für die ist

Bei einigen Podiumsdiskussionen habe ich erlebt, dass sich die eigentliche Zielgruppe - Menschen mit Behinderungen – nur selten melden und häufig Unterstützer/innen das Wort führen. Sicher sind die meisten Forderungen berechtigt, aber manchmal frage ich mich, ob das wirklich die Wünsche sind. Hier sehe ich gelegentlich (!) paternalistische Züge, nach dem Motto: Wir wissen, was gut für die ist.
Auch beim Kongress der Bundeszentrale für politische Bildung 2015 haben in vielen Workshops die Unterstützer/innen das Wort geführt. Auch einige Ergebnisse des Kongresses, so z.B. die Forderung nach Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern – kam vermutlich durch eine Einzelforderung zustande.

Für das Richtige abstimmen lassen

Bei einem Planungsgespräch in einer Einrichtung begrüßte ein Teilnehmer immerhin das Wahlrecht der Menschen, man solle sie nur für das Richtige abstimmen lassen. Bevor er genauer spezifizieren konnte, was denn das Richtige ist, haben wir das Gespräch wegen unüberwindbarer Differenzen abgebrochen.

Fachkräfte wissen es besser

Aber ich möchte zum Schluss nochmals betonen, dass diese Erfahrungen die absolute Ausnahme bilden. Ich habe nur Bezug zu einer kleinen Gruppe dieser Menschen und für viele ist Politik oder Politische Bildung wirklich weit weg. Des Weiteren: Fachkräfte und Unterstützer/innen haben viel häufigeren Umgang, sehen die Probleme, arbeiten in oft schwierigen Verhältnissen und stellen viele der Forderungen völlig zu recht.

Freitag, 6. April 2018

Informationen zum Bundesteilhabegesetz

Es gibt noch viele Unsicherheit, da einige Elemente des Bundesteilhabegesetzes noch nicht in Kraft sind oder noch umgesetzt werden müssen.

Informationen vom Sozialministerium

Das Sozialministerium berichtet auf der Homepage in einem Schwerpunkt über das Bundesteilhabegesetz.
Es stehen auch Informationen stehen auch in leichter Sprache zur Verfügung. Zur Umsetzung gibt es eine eigene Seite: www.gemeinsam-einfach-machen.de.  

Informationen von Verbänden

Stellvertretend für Verbände, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen, hier ein Hinweis auf Informationen der Lebenshilfe – dort enthalten sind auch Informationen zu Änderungen und zum Inkrafttreten der weiteren Stufe

Ausführliche Informationen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den einzelnen Bundesländern finden Sie hier:  https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/.

Mittwoch, 28. März 2018

Die Politik lässt die Inklusion scheitern

Jan-Martin Wiarda, Kolumnist des Tagesspiels, hat unter dem Titel Die Politik lässt die Inklusion scheitern die derzeitige Umsetzung der Inklusion in Schulen scharf kritisiert.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Seiner Meinung nach ist Inklusion von Schülern mit Behinderungen ist richtig und machbar. Doch in Deutschland lassen Politiker die Reform aus Angst vor misstrauischen Eltern und Lehrern gegen die Wand fahren
Aufgrund der Unterfinanzierung misstrauen Eltern und Lehrer und befürchten, dass ein inklusives Schulsystem nicht allen gerecht werden kann. Dadurch kommt es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung – Politiker nehmen diese Stimmung auf und verhindern das Gelingen von Inklusion.


Ähnlich argumentier Raul Krauthausen im Deutschlandfunk. Er wirft der deutschen Bildungspolitik Totalversagen vor:
 

Donnerstag, 8. März 2018

Zielgruppenorientierte oder inklusive Angebote - oder beides?!

Immer wieder gibt es Diskussionen, ob zielgruppenorientierte Angebote für Menschen mit Behinderungen positiv oder negativ für die inklusive politische Bildung sind.

Inklusive oder zielgruppenorientierte Angebote –oder beides?! 

Das Konzept der Zielgruppenorientierung entstand während der gesellschaftlichen Reformdiskussion in den 70er Jahren. Die damalige Debatte war durch das demokratische Postulat ebenso geprägt wie durch die ökonomische Notwendigkeit nach steigender Qualifizierung von Arbeitnehmer/innen. Das Konzept zielte darauf, die Lebensumstände einer homogenen Zielgruppe zu verbessern und richtet die pädagogische Aufmerksamkeit auf Bildungsbenachteiligte (vgl. Lutz 2004: 28).

Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Gruppe 

Die Übertragung dieses Konzepts auf Menschen mit Behinderung ist schon deshalb fragwürdig, weil es sich nicht um eine homogene Gruppe handelt. Hinzu kommt der eklatante Widerspruch zur Inklusion, denn Menschen müssen sich stigmatisieren lassen, bevor man ihnen hilft. Zielgruppenorientierte Angebote könnten die Exklusion sogar noch verstärken, „einerseits durch die Separierung, andererseits durch die defizitorientierte Perspektivierung“ (Zurstrassen 2014).
Auch Ackermann verweist darauf, dass die Zielgruppenorientierung in der Erwachsenenbildung mit dem Anspruch auf Inklusion kollidiert, betont aber, dass „die Forderung nach offenen Angeboten den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen bzw. Teilhabeeinschränkungen nicht gerecht wird.“ (Ackermann 2014).

Scheingegensatz zwischen Inklusion und Zielgruppenorientierung 

Dönges und Köhler (2015: 87) sprechen von einem Scheingegensatz zwischen inklusiver und zielgruppenorientierter Vorgehensweisen und zeigen anhand eines Partizipationsmodells für einzelne Menschen, dass an die Stelle von Zuschreibung von Defiziten die Identifizierung von Barrieren und der Versuch deren Beseitigung treten kann. Auch Besand und Jugel (2015: 105ff) fokussieren auf das Erkennen und Überwinden von Exklusionsmechanismen und  plädieren für eine zielgruppenspezifische politische Bildung jenseits tradierter Differenzlinien wie Herkunft, Behinderung oder Geschlecht. Vielmehr sollten Zugangserschwernisse wie Kommunikation oder bauliche Beschaffenheit thematisiert und beseitigt werden.

Gefordert wird deshalb ein „sowohl-als-auch“: „Inklusive politische Erwachsenenbildung beinhaltet einerseits separate Kurse für Menschen mit Behinderung zu Themenbereichen wie Selbstbestimmung oder persönliche Assistenz, andererseits Kurse, in denen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung gemeinsam an politischen Themen arbeiten. Schließlich hat politische Erwachsenenbildung nicht nur die Aufgabe, Betroffene zu Wort kommen zu lassen, sondern auch Betroffenheit im Sinne von Empathie herzustellen.“(Ackermann/Ditschek 2015: 240)
Dies kann durch gezielte Unterstützung z. B. durch Assistent/innen oder Gebärdendolmetscher/innen während „normaler“ Seminare geschehen, aber auch durch differenzierte Angebote. Dies können Fortbildungen sein, vorbereitende Einheiten vor den eigentlichen Veranstaltungen oder Seminare, die speziell auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind.

Literaturhinweise


Ackermann, Karl-Ernst (2014): Politische Bildung für eine inklusive Gesellschaft, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Werkstatt inklusiv, http://www.bpb.de/lernen/werkstatt-politikdidaktik-inklusiv/180603/k-e-ackermann-politische-bildung-fuer-eine-inklusive-gesellschaft ..

Ackermann, Karl-Ernst/Ditschek, Eduard Jan (2015): „Voraussetzungen, Ziele und Orte inklusiver politischer Erwachsenenbildung“, in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, 230- 242.

Besand, Anja/Jugel, David (2015): „Zielgruppenspezifische politische Bildung jenseits tradierter Differenzlinien“, in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S.99-109.

Dönges, Christoph/Köhler, Jan Markus (2015): „Zielgruppenorientierung oder Inklusion in der politischen Bildung – Dilemma oder Scheingegensatz?“,  in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S. 87-98.

Lutz, Jürgen (2004): „Integrative politische Bildung – eine Quadratur des Kreises?“ in: Anna Rieg-Pelz (Hg) „Mitdenken – Mitreden – Mitwirken. Politische Bildung mit allen und für alle Menschen“, Erwachsenenbildung konkret 8, 2004, S. 24-32.

Zurstrassen, Bettina (2014):“ Inklusive Didaktik der politischen Bildung? Überlegungen als Beitrag zur Definition eines Begriffs (aus Sicht der Politikdidaktik)“, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Werkstatt inklusiv, http://www.bpb.de/lernen/werkstatt-politikdidaktik-inklusiv/180303/b-zurstrassen-inklusive-didaktik-der-politischen-bildung, 2014.

Donnerstag, 15. Februar 2018

Inklusion und politische Bildung

Inklusion – eine wichtige Aufgabe für die politische Bildung

Definitionen von politischer Bildung sind vielfältig und teilweise widersprüchlich. Betrachtet man aber eines der zentrales Ziele der Inklusion, nämlich „jedem Menschen in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen auf  Grundlage seiner individuellen Bedarfe Zugang, Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen, dann hat Inklusion auch und gerade mit politischer Bildung sehr viel zu tun“ (Besand/Jugela 2015:45). Inklusion ist für die politische Bildung somit eine Aufgabe, die die sie aus eigenem Anspruch erfüllen sollte (Hilbert 2015).

Wie kann die politische Bildung dieser Herausforderung begegnen?

Hufer (2015: 455) zeigt anhand von Statistiken auf, dass es sich bei politischer Bildung um eine Minderheitenveranstaltung handelt und besonders Menschen mit einem höheren Abschluss vertreten sind. Dies hat Auswirkungen auf die Programmplanung.  „Geplant wird zunächst einmal für die, die zuverlässig kommen. Und diese signalisieren, was ihre Erwartungen sind. Das ist ein durchaus bequemes, vor allem aber relativ sicheres Programmplanungsverhalten“.
Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen. Die Menschen, die zu politischen Bildungsmaßnahmen kommen, egal ob von Volkshochschulen oder politischen Stiftungen kommen - haben es eigentlich nicht nötig – sie wissen meistens relativ gut informiert.

Neue Wege beschreiten

Freiwilligkeit ist das zentrale Prinzip der Erwachsenenbildung, niemand kann zur Teilnahme gezwungen werden. Hufer analysiert unterschiedliche Gründe der Nichtteilnahme. Während es bei Menschen mit körperlichen Einschränkungen „nur“ darum geht, räumliche Voraussetzungen handelt, stellt sich bei der Adressierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten das Problem, Themen ohne Substanzverlust zu vermitteln.  Auch sozial benachteiligter Menschen werden durch politische Bildungsmaßnahmen kaum erreicht, ein wichtiger Grund hierfür, dass Probleme thematisiert, aber letztlich nicht gelöst werden können.

Literatur

Besand, Anja/Jugel, David (2015): „Inklusion und politische Bildung – gemeinsam Denken“ in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S.45-58.

Hilbert, Wolfram (2015): „Inklusion und politische Bildung – ein Überblick“, http://www.bpb.de/lernen/projekte/inklusiv-politisch-bilden/215965/workshop-2014.

Hufer, Klaus-Peter (2015): „Politische Jugend- und Erwachsenenbildung – auch für Menschen mit Teilnahmeeinschränkung?“  in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, S. 243- 255.

Freitag, 19. Januar 2018

Mit Kooperationen zu erfolgreichen inklusiven Veranstaltungen

Wie können inklusive und zielgruppenspezifische Bildungsmaßnahmen zustande kommen  – und wie können Menschen zur Teilnahme motivieren werden?

Mit Kooperationen zu erfolgreichen inklusiven Veranstaltungen

Bisher sind es vor allem Einrichtungen der Behindertenhilfe, die politische Bildungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen durchführen,  in „öffentlich verantworteten Bildung wird sie bislang kaum wahrgenommen und findet allenfalls in Ausnahmefällen und marginalisiert statt“ (Acker-mann/Ditschek 2015: 238). Die Autoren fordern deshalb die Expertisen aus den Systemen Erwachsenenbildung und Behindertenhilfe zusammen zu führen (ebd.: 240).
Auch ich sehe in der Kooperation zwischen Volkshochschulen als eine der bedeutendsten Akteuren der Erwachsenenbildung und Einrichtungen der Behindertenhilfe großes Potential. Im Rahmen der Kooperation zwischen der Volkshochschule Unteres Remstal und der Diakonie Stetten sind in den vergangenen 15 Jahren über 70 politische Bildungsveranstaltungen zustande gekommen. Dazu zählen Abendseminare an der Diakonie Stetten, gemeinsame Veranstaltungen an Einrichtungen der Volkshochschule sowie gemeinsame Besuche bei Politiker/innen und Institutionen. Es gab und gibt berechtigte Kritik an diesem Vorgehen, u.a. weil viele Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Diakonie Stetten stattfinden (vgl. dazu Lutz 2004). Dennoch haben die Veranstaltungen einen Teil zur Stärkung der politischen Teilhabe beigetragen.

Warum wurden bisher so wenig Nachahmer gefunden?

Einerseits liegt die Verantwortung sicherlich bei Volkshochschulen und anderen Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung, denn die „zunehmende Ökonomisierung auch der Weiterbildung bietet allzu oft … eine Begründung dafür, nicht auf diejenigen zugehen zu können, die Bildung am dringendsten benötigen.“ (Ditschek 2014). Andererseits könnte auch das Verhalten und den Ansprüchen mancher Vertreter/innen von Behindertenhilfen ein Hindernis darstellen. So berechtigt die Forderungen z.B. nach Bereitstellung von Assistent/innen und Gebärdendolmetscher/innen und deren Angebot bereits bei der Planung ist, stellt dies für viele Planende ein unkalkulierbares Risiko bei der Programmgestaltung dar. Auch manche Äußerungen bei Kongress der Bundeszentrale, was die (Staat, Bildungseinrichtungen etc.) erst mal zu erfüllen haben, bevor es eine Zusammenarbeit gibt, führt aus meiner Sicht häufig dazu, dass die Bildungseinrichtungen die Herausforderung (und die Chancen!) von gemeinsamen Bildungsangeboten erst gar nicht annehmen. Vor diesem Hintergrund plädiere ich für eine pragmatische Vorgehensweise, denn suboptimale Angebote (im Sinne der Erfüllung von Kriterien der Inklusion) sind besser als gar keine Angebote.

Wie können Menschen mit Behinderungen für politische Bildung motiviert werden?

Des Weiteren stellt sich die Frage, wie Menschen mit (und ohne) Behinderung zur Teilnahme an politischen Bildungsseminaren motiviert werden können. Ditschek (2014) kritisiert Einrichtungen der Erwachsenenbildung. „Die Menschen, deren Einschränkungen sie auch daran hindern, selbstbewusst und selbstmotiviert Bildung in Anspruch zu nehmen, treffen auf eine Erwachsenenbildung, die bewusst oder unbewusst der Logik des 'Matthäus-Prinzips' huldigt: Wer hat, dem wird gegeben. Statt einer Willkommenskultur herrscht eine 'Komm-Struktur' vor: Wer kommt, der ist willkommen.“ Auch wenn aus meiner Sicht dieser Vorwurf für viele engagierte Mitarbeiter/innen von Volkshochschulen nicht zutrifft, bleibt das bereits zuvor konstatierte Problem, dass viele Menschen durch die Angebote von allgemeinen Erwachsenenbildungseinrichtungen nicht erreicht werden.

Literatur

Ackermann, Karl-Ernst/Ditschek, Eduard Jan (2015): „Voraussetzungen, Ziele und Orte inklusiver politischer Erwachsenenbildung“, in: Dönges, Christoph/ Hilpert, Wolfram/ Zurstrassen, Bettina (Hg,): Didaktik der inklusiven politischen Bildung, 230- 242.

Ditschek, Eduard Jan (2014): „Betroffenheit als Voraussetzung“, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Werkstatt inklusiv, http://www.bpb.de/lernen/projekte/inklusiv-politisch-bilden/180223/betroffenheit-als-voraussetzung.

Lutz, Jürgen (2004): „Integrative politische Bildung – eine Quadratur des Kreises?“ in: Anna Rieg-Pelz (Hg) „Mitdenken – Mitreden – Mitwirken. Politische Bildung mit allen und für alle Menschen“, Erwachsenenbildung konkret 8, 2004, S. 24-32.